Automatisierung von Planungsprozessen: So klappt es mit der Akzeptanz

In den letzten Jahren haben immer mehr Unternehmen in den Bereichen Supply Chain Management und Materialwirtschaft auf automatisierte Planungsprozesse gesetzt. Unter Automatisierung von Planungsprozessen ist die Verwendung von Algorithmen und künstlicher Intelligenz (KI) zu verstehen, um damit Prognosen für zukünftige Verkaufszahlen automatisch zu erstellen und in der Folge Material- und Ressourcenanforderungen automatisiert zu planen.

Für Produktions- und Handelsunternehmen ist die Automatisierung von Planungsprozessen aus verschiedenen Gründen von entscheidender Bedeutung. Zunächst ermöglicht sie eine erhebliche Produktivitätssteigerung. Durch die Automatisierung werden manuelle Aufgaben reduziert, Fehler vermieden und Zeit für strategische Entscheidungen freigesetzt. Des Weiteren ist sie eine Lösung für das wachsende Problem des Fachkräftemangels, bedingt durch die demographische Entwicklung. Unsere Gesellschaft altert, dadurch wird es zunehmend schwieriger, qualifiziertes Personal zu finden und zu halten.

Akzeptanz für Automatisierung scheitert oft an acht Hauptgründen

Akzeptanz der Anwender für automatisierte Planungsprozesse kann man natürlich nur erwarten, wenn das Prognose- und Dispositionssystem in der Lage ist, vernünftige Ergebnisse zu liefern. In der Praxis ist dies selten gegeben, sofern man sich nicht intensiv mit der Optimierung der Dispositionsparameter beschäftigt und die Belastbarkeit der Einstellung mittels Simulation auf Herz und Nieren geprüft hat.

Aber auch dort, wo wir in unseren Beratungsprojekten diese Voraussetzungen geschaffen haben, treffen wir auf Vorbehalte gegen die Implementierung automatisierter Planungsprozesse bei den Anwendern. Dabei stoßen wir häufig auf diese acht Hauptgründe für die fehlende Akzeptanz:

  1. Mangelndes Verständnis für die Funktionsweise der Automatisierung: Viele Mitarbeiter verstehen nicht, wie Algorithmen funktionieren und haben daher wenig Vertrauen in sie.
  2. Angst vor dem Verlust von Arbeitsplätzen: Die Mitarbeiter befürchten, dass die Automatisierung ihre Arbeitsplätze überflüssig macht.
  3. Angst vor Fehlern: Manche Mitarbeiter fürchten Fehler durch automatisierte Systeme, die sie nicht bemerken bzw. korrigieren können.
  4. Unsicherheit gegenüber Technologie: Es gibt eine allgemeine Unsicherheit gegenüber neuen Technologien und Veränderungen.
  5. Bedürfnis nach Kontrolle: Die Mitarbeiter möchten die Kontrolle behalten und ziehen es deshalb vor, Prognosen und Bestellungen selbst zu steuern.
  6. Skepsis gegenüber “Black Box” Entscheidungen: Die Entscheidungen werden – für die Mitarbeiter nicht nachvollziehbar – in einer “Black Box” gefällt.
  7. Mangel an Vertrauen in die Genauigkeit der Prognosen und der Dispositionsvorschläge: Besonders langjährige Mitarbeiter sind der Überzeugung, dass ihre Intuition und Erfahrung oft zu besseren Prognosen führen als Algorithmen.
  8. Mangel an adäquater Schulung und Unterstützung: Viele Mitarbeiter fühlen sich mit den neuen Systemen überfordert und nicht ausreichend unterstützt.

Die „klassischen“ Maßnahmen für mehr Akzeptanz helfen nur teilweise

Um die Vorbehalte der Mitarbeiter zu überwinden und sie mitzunehmen, werden immer wieder die “klassischen“ Maßnahmen angeführt. Ich habe ergänzend hierzu mit einem pragmatischen Ansatz gute Erfahrungen gemacht. Doch werfen wir zuerst einen Blick auf die klassischen Maßnahmen:

  1. Ausbildung und Schulung: Wenn die Mitarbeiter die Funktionsweise der Systeme verstehen, wächst das Vertrauen in die neue Technologie häufig.
  2. Klare Kommunikation über den Nutzen der Automatisierung: Werden die Vorteile der Automatisierung offen diskutiert, hilft dies zuweilen auch ein Stück weiter. Automatisierung wird vor allem dann eher angenommen, wenn die betroffenen Mitarbeiter überlastet sind und die Automatisierung Arbeitsplätze nicht ersetzt, sondern verbessert.
  3. Toleranter Umgang mit Fehlern: Ein toleranter Umgang mit Bedien- und Entscheidungsfehlern kann ebenfalls helfen, die Akzeptanz der Anwender zu erhöhen und die Angst vor der neuen Lösung zu verringern.
  4. Einbeziehung der Mitarbeiter: Zumindest ein Teil der Mitarbeiter kann sich besser mit den neuen automatisierten Planungsprozessen identifizieren, wenn er aktiv an der Ausgestaltung der automatisierten Prozesse beteiligt wird.
  5. Transparenz schaffen: Wenn man für die Anwender nachvollziehbar machen kann, wie eine vermeintliche “Black Box”-Entscheidung zustande kommt, fördert diese Transparenz auch ein Stückchen das Vertrauen in und die Akzeptanz der Systeme.
  6. Demonstration der Belastbarkeit von Prognosen und Dispositionsvorschlägen: Kann man auf Basis von Simulationen der Vergangenheitswerte zeigen, dass die automatisierten Prognosen und Dispositionsvorschläge nicht schlechter performt haben als die Anwender, fördert dies bei technikbegeisterten Vorgesetzten die Akzeptanz beträchtlich. Viele Anwender, vor allem langjährige (um den Begriff “erfahrene” zu vermeiden) fühlen sich dadurch allerdings oft angegriffen.

Skeptische Mitarbeiter durch Automatisierungspuffer abholen

Mein ergänzender Vorschlag: Versuchen Sie es doch einmal mit einem “Automatisierungspuffer”.

Im Tagesgeschäft stehen die Anwender regelmäßig vor dem Dilemma, das Material so disponieren zu müssen, dass die geforderte Lieferbereitschaft erreicht wird und trotzdem die Bestände möglichst gering sind. Zu hohe Bestände führen ebenso zu Stress wie eine zu geringe Lieferbereitschaft eines Materials. Fehlendes Material verursacht in der Regel mehr Stress als zu hohe Bestände. Fehlendes Material beeinträchtigt die betrieblichen Abläufe stärker als ein zu hoher Bestand, die Produktion schreit, der Vertrieb mahnt und manchmal meldet sich auch noch die Geschäftsführung. Wenn ich die Anwender frage, warum sie Dispositionsvorschläge aus dem Planungssystem scharf kontrollieren und nicht unbesehen umsetzen wollen, höre ich meistens die Angst vor fehlendem Material heraus, seltener die Angst vor zu hohen Beständen.

In solchen Fällen schlage ich den Anwendern einen kleinen Deal vor, den wir zuerst nur für einige Pilotartikel als Test vereinbaren. Ich verhandle mit Ihnen über einen zusätzlichen Bestand, den wir dem Material zugestehen. Dieser Bestand soll sicherstellen, dass auch bei fehlerhafter Materialdisposition ausreichende Lieferbereitschaft gegeben ist: Je nachdem, wie die Dispositionslösung gestaltet ist, kann dieser “Automatisierungspuffer” auf unterschiedliche Weise realisiert werden. Im System DISKOVER kann man z.B. einen Mindestbestand definieren, der nie unterschritten wird, auch wenn DISKOVER meint, mit einem Sicherheitsbestand unter dem Mindestbestand auskommen zu können. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, einen manuellen Sicherheitsbestandsfaktor zu definieren, mit dem man den vom System ermittelten Sicherheitsbestand weiter nach oben schrauben kann.

Schritt für Schritt mehr Vertrauen in die Automatisierung schaffen

Meine Erfahrung zeigt, wenn sich die Anwender auf diesen Deal einlassen und wir einen Automatisierungspuffer vereinbaren, dann geben sie der automatisierten Disposition dieser Artikel auch eine Chance. Nach einigen Wochen schaue ich mir gemeinsam mit den Disponenten die Dispositionssituation der Artikel wieder an. Meistens stellen wir dann fest, dass der Automatisierungspuffer nie oder fast nie angegriffen wurde, so dass wir uns darauf einigen können, den Automatisierungspuffer etwas herunterzudrehen. Nach einigen Optimierungsrunden gelingt es auf diese Weise, zumindest einen großen Teil des Automatisierungspuffers zurückzufahren. Wesentliche Voraussetzung dafür ist natürlich, dass die Dispositionsvorschläge des Systems stimmen, die Disposition also sauber eingestellt ist.

War die Pilotanwendung erfolgreich, rollen wir den Automatisierungspuffer auf weitere Artikel aus und erhöhen damit kontinuierlich den Automatisierungsgrad. Auf diese Weise wird auch deutlich, wo die Automatisierung der Disposition noch nicht greift, der Mensch deshalb besser noch eingreifen sollte und Dispositionsregelwerke noch weiter ausgefeilt werden müssen.

Wesentlicher Nebeneffekt: Das Verstellen von Dispositionsparametern wird vermieden

Der Dreh mit dem Automatisierungspuffer bietet noch einen anderen wesentlichen Vorteil. Die Anwender fühlen sich nicht mehr gezwungen, Bestandssicherheiten an unterschiedlichen Stellen im Planungssystem zu verstecken. Selbst wenn Anwender wenig Kenntnisse über die Planungsalgorithmen in der Software haben, finden viele schnell heraus, wie man durch Veränderung von Eröffnungshorizonten, durch manuelle Sicherheitsbestände, erhöhte Wareneingangsbearbeitungszeiten, Vorlaufzeiten im System und weiteren Tricks unabhängig vom eingestellten Lieferbereitschaftsgrad ein höheres Bestandsniveau erreichen kann. Mit viel Mühe sauber eingestellte Dispositionsparameter gehen auf diese Weise wieder verloren, wenn man nicht, wie bei DISKOVER über Dispositionsregelwerke differenziert sicherstellen kann, dass die Parameter sauber eingestellt sind und sicher eingehalten werden.

Die Produktivität unserer Unternehmen hängt an der Automatisierung der Geschäftsprozesse und damit auch an der Automatisierung der Planungsprozesse. Aufgrund der demographischen Fakten führt hieran kein Weg vorbei. Besser, wir nehmen die Mitarbeiter heute auf dem Weg der Automatisierung mit, als morgen feststellen zu müssen, sowohl ohne Mitarbeiter als auch ohne funktionierende Prozesse dazustehen!

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Prof. Dr. Andreas Kemmner

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