Trost setzt auf Automatisierung in der Disposition

Trost setzt auf Automatisierung in der Disposition
von Dr. Reiner Schmitz (Trost SE), Dr. Bernd Reineke (Abels & Kemmner GmbH)

Fangen wir mit einer ganz normalen Kennzahl an: in einem konventionell disponierenden Unternehmen verantwortet ein Disponent ca. 1.000 bis 5.000 aktive Artikel. In einem Unternehmen mit automatisierter Disposition können es mehr als 100.000 aktive Artikel pro Disponent sein! Es lohnt sich also, sich mit der Automatisierung in der Disposition zu befassen und die Möglichkeiten und Erfahrungen mit diesem Thema zu erfahren. In diesem Artikel lesen Sie, wie die Firma Trost vorgegangen ist, um ihr logistisches Geschäftsmodell in Regelwerke und Entscheidungstabellen abzubilden und die Prozesse weitgehend zu automatisieren.

Das Kerngeschäft des Unternehmens Trost SE ist die Versorgung von KFZ- und LKW-Werkstätten mit Zubehör- und Ersatzteilen. Mit ca. 150 Niederlassungen versorgt Trost den Europäischen Markt und erzielt dabei einen Umsatz von 800 Mio. € (im Jahr 2014). Die Kundenzufriedenheit steht für die 4000 Mitarbeiter des Stuttgarter Unternehmens an oberster Stelle. Und die Kundenzufriedenheit erreichen man heute nur durch hohe Verfügbarkeit und zuverlässige Lieferung von qualitativ einwandfreier Ware. Selbstverständlich spielen für den Zuschlag in einem solch hart umkämpften Markt auch die Preise eine wesentliche Rolle. Um in diesem logistiklastigen Geschäft also bestehen zu können, muss eine Top Performance zu einem möglichst niedrigen Preis angeboten werden können.

Kosten im Griff halten

Für Trost ist es somit extrem wichtig die Kosten im Griff zu haben und ständig an den Kostentreibern zu arbeiten. Daher stehen administrativer Aufwand in der Prozesskette und die Höhe der Bestände im Fokus der Optimierungsbestrebungen. Im Rahmen eines neu aufgelegten Projektes zur Bestandsoptimierung sollte externe Unterstützung durch einen Supply-Chain-Spezialisten hinzu gezogen werden. Die Wahl fiel dabei auf die Unternehmensberatung Abels & Kemmner, die nicht nur über einen langjährigen Erfahrungsschatz aus zahlreichen Projekten verfügt, sondern auch durch den Beratungsansatz mit einer simulationsgestützen Prozessoptimierung hervorstach. Mit Hilfe des Simulationsansatzes sollten in kurzer Zeit umsetzbare Ergebnisse vorliegen und die damit möglichen Potenziale bekannt sein.

Hohes Datenvolumen aus zwei ERP-Systemen in DISKOVER SCO vereint

Trost beschafft und bevorratet die KFZ- und LKW-Teile in zwei Zentrallägern in Norddeutschland und Tschechien. Von dort werden die Verkaufsniederlassungen versorgt. Es bestand bereits ein abgestimmtes Konzept, ob und wie welche Materialien in den Niederlassungen und in den Zentrallägern zu bevorraten waren. Dieses Konzept galt es zu überprüfen, ob es den Anforderungen einer kostenoptimalen Logistikkette noch genügte oder Änderungen erforderlich waren. Dazu wurden die Daten aus zwei unterschiedlichen ERP-Systemen bereitgestellt und in das Analyse- und Optimierungstool DISKOVER SCO des Softwareanbieters SCT GmbH geladen. Die Übernahme solch großer Datenmengen ist kein Kinderspiel, doch auch in diesem Bereich hat A&K im Lauf der Jahre Kompetenzen aufgebaut, so dass die Auswertungen in kurzer Zeit erfolgen konnten.

Wichtig: Randbedingungen und Restriktionen ausarbeiten

Wichtiger Input für die Berater war das Kennenlernen der Ist-Prozesse sowie der Rahmenbedingungen, Engpässe und Restriktionen. Diese wurden in Workshops und Interviews erhoben und diskutiert. Parallel dazu rechnete DISKOVER SCO erste Simulationen mit bestehenden Parametern und Bevorratungsregeln. Die so bestimmten Potenziale auf reiner Datenbasis sind noch nicht belastbar geschweige denn umsetzbar. Daher gehört es zur Standardvorgehensweise im Rahmen von A&K-Projekten in sogenannten Bestandstreiberworkshops die Ergebnisse der Prozessanalyse und der Simulationen zusammenzubringen und gemeinsam mit den beteiligten Disponenten zu diskutieren. Erfahrungsgemäß kommen im Rahmen dieser Diskussionen Restriktionen und Einflussgrößen hoch, mit denen sich der Disponent täglich herumschlägt, die aber in der reinen Datenlage des Systems nicht wiederzufinden sind. Angefangen bei der Verbund- oder Sammeldisposition zu optimalen Ausnutzung der Transporteinheiten (LKW, Schiffscontainer) bis hin zu spezifischen Kundenprioritäten und –zusagen wurde auch bei Trost eine Reihe von dispositiv relevanten Aspekten offengelegt.

Belastbar: Potenzialabschätzung

Mit den gewonnenen Erkenntnissen der Bestandstreiberworkshops konnten die Simulationen verfeinert, Restriktionen und Sonderanforderungen in Entscheidungsbäumen und Regelwerken abgebildet sowie belastbare Potenziale ermittelt werden. Die Potenziale lagen bei ca. 20% Bestandsreduktion bei einer Verfügbarkeit der lagerhaltigen Positionen von 98%. Dieses schon sehr erfreuliche Ergebnis beruhte auf Basis des alten Bevorratungskonzeptes, allerdings mit optimierten Prognosen und Sicherheitsbeständen. Weitere Potenziale waren durch Überarbeitung des Bevorratungskonzeptes zu erwarten.

Vom Analysetool zur Anwendungslösung

Um allerdings möglichst schnell in den Genuss der zu erwartenden Verbesserungen zu kommen, entschied man sich für die schnelle Einführung des Analyse- und Optimierungssystems DISKOVER SCO mit anschließender Optimierung des logistischen Geschäftsmodells. Damit standen für die Optimierung notwendige Module und Funktionalitäten wie z.B. Prognose- und Sicherheitsbestandsoptimierung, Saisonanalysen oder das Regelwerk zur dynamischen Dispoparameteroptimierung in kurzer Zeit zur Verfügung.

Schnelle Implementierung

Im Zuge der Implementierung von DISKOVER SCO wurde eine tägliche Schnittstelle zu den beiden ERP-Systemen eingerichtet. Erstmalig war es damit möglich, übergreifende Analysen über alle Standorte durchzuführen und Transparenz über die komplette Bedarfs- und Bestandssituation zu schaffen. Dies war schon ein Riesenvorteil gegenüber der früheren Situation. In den weiteren Schritten der Implementierung legte Trost großen Wert auf die Automatisierung der Dispositionsprozesse. Ziel war es, die Systemvorschläge zur Nachbevorratung der Verkaufshäuser ohne weitere Prüfung durch einen Disponenten freizugeben. Dies bedeutete aber, dass die Qualität der Vorschläge nahe 100% liegen muss.

Abbilden der Anforderungen in Regelwerken

Mit Hilfe eines neuen Bevorratungs- und Belieferungskonzeptes sollte das erreicht werde. In einem ersten Schritt wurde das Lieferportfolio der Verkaufshäuser definiert, indem Entscheidungsgrößen (z.B. Lagervolumen) und Verbrauchseigenschaften implementiert wurden, die einen Einfluss auf die Bevorratung haben. Dazu gehörte z.B. die Anzahl der Verkäufe pro Jahr in einem Verkaufshaus. Hier wurde eine Mindestverkaufszahl vorgegeben, die neben anderen Kriterien wie z.B. Lebenszyklus, Gefahrgutkennzeichen erfüllt sein musste, damit das Ersatzteil bevorratet wurde. Wurde der Mindestwert nicht erreicht, so wurde das Material nicht bevorratet und musste im Auftragsfall vom Zentrallager bezogen werden. Eine direkte Belieferung der Kunden vom Zentrallager aus war dabei ebenso möglich.

Ein- und Auslaufprozess in den Griff bekommen

Neben der Überwachung des Verbrauchsverhaltens der Materialien, war es wichtig, den Ein- und Auslaufprozess zu automatisieren. Dazu können Vorgänger-/Nachfolgerbeziehungen im Materialstamm werksübergreifend und damit aufwandsarm gepflegt werden. Dabei ist von besonderer Bedeutung, den richtigen Zeitpunkt für die initiale Bevorratung zu treffen. Während ein Nachfolgematerial in den Zentrallägern gegen eine Prognose auf Basis der Verbrauchsreihe des Vorgängermaterials ab Geltungsdatum bevorratet wurde, erfolgt die Bevorratung in den Verkaufshäusern in Abhängigkeit von der Bestandsreichweite des Vorgängermaterials. Erst wenn die Reichweite des Vorgängermaterials unter der Wiederauffüllzeit liegt, erfolgt automatisch die Umstellung des Nachfolgematerials zur Bevorratung über das Regelwerk. Die Parameter wie z.B. Meldebestand oder Sicherheitsbestand werden ebenfalls aus den Vorgängerdaten ermittelt.

Erprobung in einer Pilotphase

Die Regelwerke zur Einstellung der Dispoparameter konnten im Zuge einer Pilotphase mit Anwendung der Ergebnisse auf eine überschaubare Anzahl Artikel überprüft und feinjustiert werden. So hatten die Disponenten die Möglichkeit, im Tagesgeschäft die Ergebnisse anzuwenden und die Wirksamkeit der Einstellungen zu überprüfen. Änderungen am Regelwerk werden im Projektteam abgestimmt und verabschiedet. Die Berechtigung zur Änderung des Regelwerkes haben nur der Leiter SCM und sein Stellvertreter. So ist gewährleistet, dass kein Wildwuchs an Regeln entsteht und keine unkontrollierten Änderungen einfließen. Nach dieser Evaluierungsphase erfolgte der Roll Out auf alle Niederlassungen und auch auf die Zentralläger.

Das wurde erreicht

Die Umsetzung der Ergebnisse aus der Potenzialanalyse hat sich in kurzer Zeit bezahlt gemacht. Bereits ohne Änderung des logistischen Geschäftsmodells konnten die Bestände innerhalb eines Jahres um 25% gesenkt werden bei gleichbleibender Lieferbereitschaft. Da aber mit diesen Einstellungen die gewünschte Lieferbereitschaft gerade bei stark sporadischen Artikeln nicht erreicht wurde, entschied man sich für eine Anpassung des Bevorratungskonzeptes. Mit mehr bevorrateten Positionen und höheren Sicherheitsbeständen konnte dieses Problem gelöst werden. Das Bestandsreduzierungspotenzial fiel nach dieser Maßnahme entsprechend geringer aus.

Flexible Lösung

Hervorzuheben ist die hohe Flexibiltät, die mit DISKOVER SCO ermöglicht wird. Mit wenigen “Handgriffen” im Regelwerk lassen sich die Strategien gemäß logistischem Geschäftsmodell ändern. Wie bei einem Steuerpult einer technischen Anlage, können die Prozessparameter per Potentiometer verändert werden. Die Auswirkungen der Änderungen können vorab per Simulation geprüft und beurteilt werden. So lassen sich strategische bzw. prozesstechnische Veränderungen innerhalb kurzer Zeit realisieren.

Hoher Automatisierungsgrad

Die Automatisierung der Abläufe zeigt Früchte: mit der gewählten Lösung kommen auf einen Disponenten über 100.000 aktive Artikel. Dies ist ein Volumen, das nur über die beschriebenen Mechanismen und Funktionalitäten bewältigt werden kann. Die Disponenten disponieren nicht mehr, sondern überwachen nur noch die Prozesse. Das dafür notwendige Controlling liefert ebenfalls DISKOVER SCO. Mit Hilfe aussagekräftiger Kennzahlen, die in der Regel individuell auf die Kundenwünsche abgestimmt sind, können die Zustände der Prozesse beurteilt und über den Zeitverlauf beobachtet werden. Im Rahmen der sogenannten Exception-Analysen können Schwellwerte für Kennzahlen definiert werden. Sollten die Kennzahlen die Schwellwerte erreichen, sendet DISKOVER SCO automatisch Emails zum hinterlegten Adressatenkreis. Aber auch die Möglichkeit zur flexiblen Gestaltung von Berichten oder Pivot-Auswertungen über verschiedene Geschäftsobjekte (z.B. Artikel, Bestellungen, Prognosen, Bewegungsdaten etc.) kommt jeder in kurzer Zeit zu den benötigten Informationen. Ein Programmierer ist dafür nicht erforderlich!

Schmerzloser Wechsel zu SAP

Ein weiterer Punkt, der am Anfang nicht im Vordergrund stand, aber am Ende von hoher Bedeutung war, ist die flexible Möglichkeit, unterschiedliche ERP-Systeme anzubinden. Bei Tost waren es zu Beginn zwei ERP-Systeme. Trost entschied sich dann, beide Systeme durch SAP abzulösen. D.h. für eine längere Übergangszeit kommunizierte DISKOVER SCO mit drei verschiedenen ERP-Systemen. Mit den standardmäßig verfügbaren Schnittstellen zu und von SAP, war die Anbindung an das neue System schnell vollzogen, und das mit nur sehr geringem Aufwand für die IT-Abteilung. Bei der Umstellung auf SAP, die Niederlassungsweise voranschritt, diente das Regelwerk dazu, die richtigen Schnittstellen zum richtigen Zeitpunkt zu bedienen.

Fazit

Trost ist angetreten, das eigene logistische Geschäftsmodell zu überprüfen und Potenziale zu ermitteln. Bekommen hat Trost eine mächtige Lösung zur flexiblen Abbildung des logistischen Geschäftsmodells sowie zur weitgehenden Automatisierung der Dispositionsprozesse. Die Nachbevorratung der 150 Niederlassungen erfolgt voll automatisch, die Rolle der Disponenten hat sich vom operativen Sachbearbeiter zu einem Controller mit spezifischem Fach-Know-How gewandelt. Mit DISKOVER SCO hat Trost eine leistungsfähige und extrem flexible Lösung zur Unterstützung der Planungs- und Dispositionsprozesse gefunden. Die Unabhängigkeit von ERP-Systemen kam Trost mit drei beteiligten Systemwelten zu Gute.

Dr. Bernd Reineke

Dr. Bernd Reineke

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