Schnelle Lieferung und gute Margen

Von Dr. Bernd Reineke (Abels & Kemmner GmbH) und Andreas Capellmann (SCT GmbH)

Wollen Zulieferer dem Fachhandel eine hohe Lieferbereitschaft und gute Margen bieten, reicht es nicht aus, einen 24 Stunden Lieferservice aus dem Fertigwarenlager zu speisen. Wer nachhaltig erfolgreich sein will, der braucht eine viel weitreichendere Dispositions-Strategie. Denn nur so kann man bei höchster Lieferbereitschaft den Warenbestand abbauen und enorme Kosten sparen.

Fertigwaren zu lagern ist sehr teuer und bindet Kapital. Und wer eine hohe Lieferbereitschaft haben will, muss ohne eine ausgereifte Planung und Disposition der Wertschöpfungskette immense Bestände aufbauen: Die hohe Lieferfähigkeit eines Lagerproduktes setzt nämlich voraus, dass Bestand vorhanden ist, damit Kommissionierung und Versand umgehend angestoßen werden können. Eine hohe Lieferbereitschaft für komplette Bestellungen mit mehreren Auftragspositionen fordert eine noch höhere Lieferbereitschaft der einzelnen Artikel: Bei 95 Prozent Lieferbereitschaft der einzelnen Artikel besteht bei einer Bestellung über zehn Auftragspositionen nur noch eine ca. 60 Prozentige Wahrscheinlichkeit, den Gesamtauftrag komplett ausliefern zu können. Erst bei 99,8 Prozent Lieferfähigkeit des Einzelartikels hat man die Chancen auf 98 Prozent verbessert, allerdings mit 75 Prozent mehr Sicherheitsbestand auf jedem der zehn Einzelartikel.

Deshalb suchen Hersteller nach Möglichkeiten, eine hohe Lieferbereitschaft günstiger umzusetzen, um letztlich auch dem Fachhandel attraktive Preise bieten zu können. Die oben genannten Wirkzusammenhänge kann man zwar nicht außer Kraft setzen. Dennoch gibt es durch die Optimierung der Disposition ein enormes  Potenzial, Kosten einzusparen: Neben der Kapitalbindung durch den Warenwert verursachen Bestände jährliche Kosten von 18 bis 30 Prozent des Bestandswerts, die sich aus Kapitalkosten, Versicherungen, Verwaltung, Lagerkapazitäten und so weiter ergeben. Diese Kosten muss der Fachhandel letztlich bezahlen, wenn die Logistikkette nicht stimmt. Wie kann man aber die Lieferbereitschaft steigern und gleichzeitig die Bestände abbauen?

Dispositionsprozesse optimieren

In erster Linie ist das eine Frage von besseren Dispositionsprozessen. Man kann beispielsweise Schnelldreher in kürzeren Abständen und entsprechend kleineren Mengen liefern. Das reduziert die Lagerkapazitäten. Selten nachgefragte Produkte wiederum fertigt man bei Bedarf und verbannt sie komplett aus dem Fertigwarenlager. Zudem kann man durch geschickte Verlagerung des logistischen Entkopplungspunkts Bestände über die gesamte Supply Chain hinweg abbauen. Viele logistische Stellgrößen werden zudem oft noch aus dem Bauch heraus geplant und per Hand ausgeführt. Einen Palettenplatz im LKW mit Langsamdrehern zu füllen, nur um Frachtkosten zu sparen, treibt in der Summe schnell die Lagerbestände in die Höhe. Es gilt also, vieles über die gesamte Supply Chain hinweg zu optimieren.

Ein bekannter Fachhandwerkspartner hat es beispielsweise geschafft, seine Bestände deutlich zu senken und gleichzeitig den Lieferbereitschaftsgrad zu steigern: Die Hansa Armaturen GmbH, Hersteller hochwertiger Designarmaturen und innovativer Brause- und Duschsysteme. Zwischen 18 und 40 Prozent konnten die Bestände in nur sechs Monaten reduziert werden. Das gesamte Bestandsreduzierungspotenzial für Fertigwaren und Halbfertigerzeugnisse lag teilweise über 50 Prozent.

Methoden- und Tool-Kompetenzen

Methoden- und Tool-Kompetenzen sind hierfür gefragt. Beispielsweise sind umfangreiche Artikelklassifizierungen durchzuführen, um darauf Dispositionsstrategien aufzubauen. Von besonderer Bedeutung sind dabei die Klassifizierungen nach

  • ABC → wirtschaftlicher Bedeutung,
  • XYZ → Regelmäßigkeit des Verbrauchs,
  • STU → Anzahl Kunden pro Materialnummer sowie
  • ELA → Lebenszyklus
  • WMQ → Nachfragefrequenz
  • LMQ → Abmessungen

Diese Klassifizierungsmerkmale sind wichtige Größen für die Entscheidung, welche Planungs- und Dispositionsparameter für welchen Artikel eingestellt werden sollten. Zudem sind Regelwerke zu erstellen, die genau festlegen, welche Artikelklassen wie zu planen und zu disponieren sind. Schon mit solchen grundlegenden Analysen kann man schnell bestehende Bestände sinken lassen und gleichzeitig die Lieferbereitschaft steigern.

Aber alle Analysen und daraus abzuleitende Maßnahmen reichen nicht aus, wenn Disponenten nicht auch mit einer passenden Software unterstützt werden. So mussten beispielsweise bei Hansa die Melde- und Sicherheitsbestände ohne Systemunterstützung durch das ERP-System ermittelt werden. Insbesondere bei den Sicherheitsbeständen fiel auf, dass sie je nach Zuständigkeit auf verschiedene Arten berechnet wurden oder aber lediglich aus Erfahrungswerten resultierten. In der Disposition von Kaufteilen wurde nicht bedarfsbezogen auf Bestellbedarf geprüft, sondern einmal pro Woche. Der Gesamtprozess an dieser Stelle war also trotz ERP-System stark manuell geprägt, sehr aufwendig und damit auch trotz größter Sorgfalt fehleranfällig. Eine dispositive Optimierung ist also kein triviales Unterfangen.

Gute Disposition ist eine komplexe Materie

Wie komplex die Disposition ist, kann man schon alleine an der Anzahl der erforderlichen Stammdaten erkennen: Je nach Zuschnitt des Artikels hat man sich um bis zu 130 logistische Parameter zu kümmern. Bildet man diese in einer mathematischen Gleichung ab, ist schnell zu verstehen, dass man deren komplexes Zusammenwirken weder aus dem Bauch, noch durch einfache Berechnungen erfassen kann.

Ein häufiger Fehler besteht auch darin, mehrere Einflussgrößen in einem Parameter zu verdichten. So werden häufig Sicherheitsbestände für die schwankende Nachfrage, Sicherheitsbestände für schwankende Fertigungszeiten und Sicherheitsbestände für schwankende Lieferzeiten der Vorlieferanten in einem gemeinsamen Sicherheitswert abbildet. Kumuliert kann das nur zu mehr Bestand führen. Eine optimale Disposition benötigt entsprechend differenzierende Werkzeuge.

ERP allein reicht nicht aus

In den meisten Unternehmen existiert für Dispositionszwecke bereits ein Software-Tool: das bestehende ERP-System bzw. entsprechende Erweiterungen. Allerdings haben ERP-Systeme originär andere Aufgaben, so dass die Möglichkeiten zur Bedarfsprognose und Disposition zumeist sehr beschränkt und diese Funktionalitäten nicht ausreichend differenziert sind. So sind beispielsweise Automatismen zur kontinuierlichen Optimierung der Dispo-Parameter praktisch nicht vorhanden. Hinzu kommt, dass quasi alle bekannten ERP-Systeme ausschließlich mit statistischen Verfahren arbeiten, die eine sogenannte „normalverteilte“ Nachfrage unterstellen, wie z. B. Mittelwertverfahren oder exponentielle Glättung. Doch in der Praxis ist eine normalverteilte Nachfrage nur bei einem geringen Anteil an Artikeln anzutreffen. Die Konsequenz: Berechnungen unter Annahme einer normalverteilten Nachfrage führen zu systematisch falschen Bedarfsprognosen und Bestandsfehlern von bis zu 40 Prozent.

Präzises Spezialwerkzeug für Disponenten

Bleibt also festzuhalten, dass man Prognose- und Dispositionsaufgaben zwar mit einem ERP-System erledigen kann. Das Ergebnis liegt aber zumeist weit vom Optimum entfernt. Um deutlich besser disponieren zu können, benötigen Disponenten Advanced Planning and Scheduling (APS-) Software.

Solche Präzisionswerkzeuge für Spezialisten, wie beispielsweise DISKOVER SCO von der SCT GmbH, sind viel präziser auf die Dispositionsaufgaben zugeschnitten als generalistische ERP-Systeme. Sie bieten zur verbesserten Planung z. B. viel feinere Prognose-Funktionalitäten und können so den tatsächlichen Bedarf bedeutend genauer vorhersagen. Für die „Generalisten“ – also die ERP-Anbieter – ist dieser Spezialmarkt kaum interessant, da hier sehr tiefes und spezifisches Fachwissen gefragt ist. Dennoch besteht ein hoher Handlungsbedarf, da Unternehmen mit variantenreichem Portfolio regelmäßig hunderttausende Euro an gelagertem Material und damit totem Kapital einsparen können. Wichtiges Kapital, das man in Lösungen für die Supply Chain 4.0 durchaus investieren kann. APS Software eignet sich übrigens in der Regel für Unternehmen ab einem Umsatzvolumen von rund 15 Mio. EUR. Weitere Einschränkungen für Fachhandel-Zulieferer gibt es im Grunde nicht, wobei das Sortiment selbst eine gewisse Komplexität umfassen sollte.

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Dr. Bernd Reineke

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