Good Governance in der Disposition

Ist es Ihnen bei allem Entsetzen über den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt aufgefallen?

Da kommt ein polnischer Fahrer mit seinem LKW einen Tag zu früh, wird deshalb vom Kunden abgewiesen und ist gezwungen mit dem Wagen am Straßenrand eine Nacht zu warten. Ein Vorgang der täglich unzähligen Male passiert.

Wie mag es dazu gekommen sein, dass der Fahrer einen Tag zu früh dran war? Vermutlich hat entweder der Lieferant zu früh versandt, um sicherzugehen, dass der Liefertermin gehalten wird, oder der LKW kam besser durch den heutzutage für LKW völlig unkalkulierbaren Verkehrsdschungel.

Just in time ist cool, aber übertreiben wir es nicht manchmal mit den Anforderungen an „die Anderen“, namentlich Lieferanten und Spediteure? Wir drängen auf die größte Präzision in Liefer- und Versandterminen, zerhacken unsere Bedarfe in immer kleiner Bestellmengen, sanktionieren jede Terminabweichung in beide Richtungen – zu früh wie auch zu spät. Und auf diese Weise blasen wir das sowieso wachsende Transportvolumen immer weiter auf. Was dazu beiträgt, dass die Frachtzeiten auf der Straße noch unkalkulierbarer werden.

Man könnte einwenden, dass der gnadenlose Wettbewerb es erforderlich macht, soviel Präzision in den Materialfluss zu bringen, um effizient zu arbeiten. Ich kenne jedoch kein Unternehmen, bei dem man die Bestände nicht durch rein dispositive Maßnahmen weiter senken könnte. Auch wenn ständig über sinnvolle Lieferbereitschaftsgrade diskutiert wird, um Bestände zu reduzieren. Dennoch, so der Eindruck, wird viel zu fett disponiert, denn es darf auf keinen Fall einmal Fehlbestand auftreten – egal wie die Lieferbereitschaft eingestellt ist! Also werden überall in den Dispositionsparametern Sicherheiten versteckt. Wir hier nicht mit zweierlei Maß gemessen? Ist es „Good Governance“, um es mit dem Ethik-Vokabular der Wirtschaft auszudrücken, wenn von Spediteuren und Lieferanten eine Präzision eingefordert wird, der man selbst nicht gerecht wird? Diese Diskrepanz in der Leistungsbewertung drückt sich in Wartezeiten, Konventionalstrafen und Sonderfahrten aus, die auch Geld kosten und in die Gesamtkosten eingerechnet werden müssen.

Prof. Dr. Andreas Kemmner

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